Seit 70 Jahren veredelt Kothe Galvanik die Oberflächen von Metallen und ist mit seinen Produkten heute zu Lande, zu Wasser und in der Luft zu finden. Gerade beschichtet der Betrieb die Fassadenelemente für einen spektakulären Wolkenkratzer in Frankfurt am Main.
Klaus Göhring, Inhaber der Firma Kothe Galvanik, vor der Anlage, die für die Pulverbeschichtung gerade elektrostatische Farbpartikel auf die Metallwerkstücke sprüht. Anschließend werden diese bei hoher Temperatur mehrere Minuten lang gebrannt.
Als Klaus Göhring in einem Zug der Schweizerischen Bundesbahnen fährt, erkennt er das Bauteil im Waggon sofort wieder. Kein Zweifel: Die Oberfläche dieses nur baguettegroßen hellgrauen Alublechs ist einst in seinem Betrieb veredelt worden. Dabei ist das nicht einmal sonderlich prägnante Element nur eines von hunderten, vielleicht sogar tausenden verschiedener Metallteilen, die bei Kothe Galvanik ganz oberflächlich betrachtet den letzten Schliff bekommen. „Ich bin jeden Tag im Betrieb, da hat man die Stücke doch ständig vor Augen“, sagt der 78-jährige Firmeninhaber, der seit 55 Jahren im Unternehmen tätig ist. Die Firma wurde im September 1949 von dem Algermissener Galvaniseur und Schleifermeister Bernhard Kothe als reiner Galvanisierbetrieb gegründet – und ist damit genau so alt wie die Bundesrepublik. Kothe lag damals noch vor den Toren der Stadt, inzwischen ist das Unternehmen im Bavenstedter Gewerbegebiet von Märkten, Transporteuren und produzierendem Gewerbe umringt. 1977 übernahm Göhring das Ruder, baute die Firma zu einer der modernsten und innovativsten ihrer Branche aus. Wurden zunächst nur typisch galvanische Arbeiten wie Schleifen, Polieren, Verkupfern, Vergolden oder Verzinken angeboten, kamen in den 60er Jahren neue Techniken wie Eloxieren, Nasslackieren oder Pulverbeschichten dazu, die heute 90 Prozent der Aufträge ausmachen. Es gibt wohl nichts, was Kothe in seinem Metier nicht liefern könnte- und das, ganz nach Kundenwunsch, in einer von 15000 möglichen Farben. Manche Wettbewerber etwa in Osteuropa seien schon allein wegen der niedrigen Löhne günstiger. „Aber alle, die uns wegen des Preises verlassen haben, sind wieder zurückgekommen“, sagt Göhring mit eigenem Stolz. „Man geht eben zu uns.“ Deshalb liest sich die Referenzliste der 400 festen Kunden wie ein Who is Who des internationalen Wirtschaftslebens. Gerade werden wieder Außenteile und Balkone für ein neues Kreusfahrtschiff der Papenburger Meyer-Werft seefest beschichtet, denn Salzwasser ist der Todfeind ungeschützter Metalle. Doch nicht nur Schweizer Züge, auch die ICEs der Deutschen Bahn rollen mit Bauteilen, die bei Kothe beschichtet wurden. Die Konstrukteuere der Shanghaier U-Bahn setzen auf das Können der Bavenstedter ebenso wie der Hildesheimer Gyrocopter-Weltmarktführer AutoGyro. Würde man alle Flächen zusammennehmen, die in der 70-jährigen Firmengeschichte bearbeitet worden sind, käme man auf 600 Millionen Quadratmeter, so viel wie 90000 Fußballfelder. Apropos Fußball: Auch die Tore in den Profi-Ligen erstrahlen nur deshalb so leuchtend weiß, weil sie bei Kothe ihr Finish bekommen haben. Gerade liegt wieder ein ganzes Bündel weißer Gestänge zum Abtransport bereit. Sechs firmeneigene Sattelzüge rollen Tag für Tag kreuz und quer durch Europa und bringen fertige Aufträge zu den Kunden. „Dabei wissen wir oftmals gar nicht, wofür einzelne Teile bestimmt sind“, sagt Göhring. Die kleinsten Teile sind kaum größer als eine Streichholzschachtel, die größten Objekte, die in den weitläufigen 18000 Quadratmeter großen Hallen bearbeitet werden, dürfen acht Meter Länge, drei Meter Tiefe und 1,20 Meter Breite nicht überschreiten. Aber alle werden unter den wachsamen Augen des Chefs mit der gleichen Sorgfalt behandelt. Für jede Bearbeitungsform gibt es eine eigene Rezeptur – je nachdem ob die Stücke später eloxiert oder brüniert, nass- oder pulverbeschichtet, verzinkt, verzinnt, verzickelt, versilbert oder vergoldet werden sollen. Zum Handwerkszeug der Firma Kothe gehören riesige Tanks mit Natronlauge, Salz- und Salpetersäure. Keine ganz ungefährlichen Substanzen. Zwei firmeneigene Labore überwachen deshalb permanent den Produktionsprozess. Doch an Chemie kommt der Betrieb nicht vorbei: Bevor die Bauteile bearbeitet werden können, müssen sie vollständig entfettet werden. Schon der Rückstand eines Fingerabdrucks könnte etwa bei einer Pulverbeschichtung zu einem Makel auf der spiegelglatten Oberfläche führen. Eingehängt in Metallrahmen und mit Drähten fixiert, rollen die Bauteile an einem Netz aus Führungsschienen unter der Decke durch die Bearbeitungsstationen: baden, beschichten, brennen, trocknen. Was genau passiert, damit Fassadenteile später jahrzehntelang Regen, Schnee und Hagelschlag trotzen, ist Betriebsgeheimnis. „2007 sind wir der erste Premiumbeschichter in Deutschland geworden“, sagt Göhring. Bei dieser speziellen Beschichtung erhalten Bauteile eine extrem witterungsbeständige Oberfläche, die selbst Klimazonen mit hoher UV-Belastung trotzt. Eigentlich müssten sie der Sonne Floridas nur fünf Jahre standhalten, Kothe gibt eine Garantie von bis zu 20 Jahren. „Gerade in Zeiten der Klimaveränderung spielt die Gewährleistung eine erhebliche Rolle.“ Göhring ist überzeugt, dass Kothe seinen Betrieb heute nicht mehr wiedererkennen würde. „Das war damals noch Handarbeit in Butzentechnik. Heute sind wir vollautomatisiert.“ 200 Mitarbeiter arbeiten im Dreischichtbetrieb, nur nach der Frühschicht am Sonnabend und vor der Spätschicht am Sonntag ruht die Produktion. Die Auftragsbücher sind voll, im Schiffs-, Bahn- und Immobilienbau boomt es. Im Maschinenbau merkt Göhring die Handelskrise der Weltwirtschaft allerdings schon leicht. „Wir sind zu 100 Prozent ausgelastet, aber die Lieferzeiten sind hier kürzer geworden.“ Eigentlich war die Firmennachfolge im Haus Göhring bestens vorbereitet: 25 Jahre hatte Tochter Claudia ihrem Vater bereits zur Seite gestanden, davon 13 Jahre Mitverantwortung getragen. Mit nur 52 Jahren ist sie gestorben. Die Firmenanteile der GmbH & CO. KG blieben weiterhin in Familienbesitz, versichert Göhring. In die Geschäfts-, Betriebs- und Produktionsleitung aber will er künftig erfahrene Mitarbeiter aus seinem Betrieb berufen. Denn auch die wissen, wie es geht.
Quelle: HAZ 06.09.2019 (Marita Zimmerhof)
Fotos © Werner Kaiser